b_215_215_16777215_0_0_images_stories_akt11_0425ts_bilder_x_bild5.jpgIn der Nacht vom 25. auf den 26. April sollte die Bedienungsmannschaft im Block 4 der Atomanlagen von Tschernobyl ausprobieren, ob sich die Notstromversorgung des Reaktors nach einer Schnellabschaltung noch für kurze Zeit über den Hauptstromgenerator aufrechterhalten läßt. Denn bis die Notstromdiesel genügend Elektrizität zum Betrieb der Notkühlung liefern können, vergehen 40 bis 50 Sekunden. Sicherheitstechnisch also eine höchst wichtige Frage für einen Notfall. Die Folge des missglückten technischen Experiments ist um 1 Uhr, 23 Minuten der Supergau.

Im Block 4 kommt es innerhalb von Sekunden zur Kernschmelze und danach zu einer unvorstellbaren Explosion. Die 2000 Tonnen schwere Abdeckung des Reaktorblockes wird nach oben geschleudert und ein großer Teil der 180 Tonnen an hochradioaktivem Material und die radioaktiven Gase aus dem Reaktor geschleudert. Ein viertel des radioaktiven Materials entweicht sofort bei der Explosion, der Rest innerhalb der nächsten 14 Tage. Die Gase und Aerosole bilden einen rund zwei Kilometer hohen Streifen, der vom Wind weitergetragen wird. Der radioaktive Auswurf in Form von großen Partikeln und Klumpen des zerstörten Kerns aus Graphit und Brennstoffelementen geht in einem viele Kilometer breiten Radius nieder. Das explosive Potential entspricht der Menge von 1000 Hiroshima-Bomben.

In der Nachtschicht sind 256 Arbeiter anwesend, bereits in den folgenden drei Jahren werden 65 von ihnen sterben. Sie werden von den Verantwortlichen der Bedienungsmannschaft aufgefordert, an ihren Arbeitsplätzen zu bleiben, bzw. beim Löschen der Brände mitzuhelfen. Nach sieben Minuten treffen die ersten Feuerwehrleute ein. An zahlreichen Stellen sind Brände, vor allem im Maschinenhaus und auf dem Dach der Reaktorblöcke 3 und 4, die aneinander gebaut sind. Die Verantwortlichen der Bedienungsmannschaft wollen immer noch nicht wahrhaben, was geschehen ist. Das Schönreden und Vertuschen der Katastrophe beginnt bereits in jener katastrophalen Nacht. Der daneben liegende Block 3 wird erst um 5 Uhr morgens abgeschaltet. (Und natürlich später wieder in Betrieb genommen)

Die ersten 28 Feuerwehrleute haben 30 Brände zu bekämpfen, arbeiten ohne Schutzanzüge, Messgeräte gibt es keine. Der Erste bricht bereits um 2 Uhr zusammen und wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo er dann auch stirbt. Fast alle 28 Männer sterben in den folgenden Jahren den Strahlentod. Insgesamt sind in dieser Nacht 240 Feuerwehrleute im Einsatz.

 

Die Tage danach:

Der offene Reaktorkern brennt noch zehn Tage weiter und spuckt wie ein Vulkan laufend die tödliche Strahlung aus. Am Tag danach bis zum 5. Mai werden mit über 180 Hubschrauberflügen etwa 5000 Tonnen Sand und Blei auf den brennenden Reaktor geworfen. Auch diese Besatzungen der Helikopter sind ohne Schutz in ihrem „heldenhaften“ Einsatz.

Tschernobyl war der größte atomare Kraftwerkskomplex in der Sowjetunion. 4 Atomkraftwerke in Betrieb, zwei weitere im Bau. In der nur 4 Kilometer entfernten Stadt Pripjat, die extra für AKW-Mitarbeiter gegründet worden war, wohnen 40.000 Menschen. Am 27.4.86 ist Sonntag und der erste schöne Frühlingstag, den alle im Freien genießen. Keine Warnung an die Bevölkerung über den Reaktorunfall, der offiziell immer noch geleugnet wird. Erst am Nachmittag beginnt die Evakuierung von Pribjat mit der Aufforderung, dass die Stadt für „einige Tage“ verlassen werden muss. Bis zum 5. Mai werden in der 30km-Zone um den Reaktor 135.000 Menschen evakuiert.

Erst am 28.4. meldet um 21 Uhr die sowjetische Nachrichtenagentur TASS, dass es in Tschernobyl einen Unfall gegeben hat, bei dem „Menschen zu Schaden gekommen sind.“

Erst am 29.4. kommt zum ersten mal in den deutschen Fernsehnachrichten die Meldung vom Gau in Tschernobyl. Innenminister Zimmermann beteuert, dass es keine Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland durch den Supergau gibt. Das Märchen von den sicheren deutschen Atomkraftwerken wird erfunden.

 

Was tun...

Die Atomindustrie steht nach Tschernobyl mit dem Rücken zur Wand. Zur besseren Verbreitung ihrer Lügen wird in der Bundesrepublik der „Arbeitskreis Kernenergie“ gegründet. Der betreibt fortan mit millionenschweren Kampagnen Öffentlichkeitsarbeit. Die Energiekonzerne bestechen verstärkt Lokal- und Bundespolitiker mit „Beraterverträgen“ und kostenlosen Reisen. Als Folge der neuen Politik der Energieversorgungsunternehmen nach Tschernobyl sitzen heute viele Bürgermeister, Landräte und Kommunalpolitiker in extra gegründeten sogenannten Beiräten der Energiekonzerne und erhalten dort jährlich mehrere tausend Euro „Entschädigung“ fürs nichts tun. Andere Herren der Politik sitzen gleich im Aufsichtsrat. Im Energiebereich gibt es mit die engste personellen Verflechtungen durch den permanenten Wechsel von Personen aus der Politik und dem Management, in beide Richtungen.

Im Jahr 1987 kommt es im hessischen Atomkraftwerk Biblis fast zum Supergau. Trotz Protesten beginnt 1986 der Bau des letzten deutschen AKW´s: Neckarwestheim II. Infolge der breiten Anti-AKW-Proteste wird die bereits im Bau befindliche „Wiederaufbereitungsanlage“ in Wackersdorf verhindert und 1987 der offizielle Baustopp verkündet. Der Bau eines neuen Atomkraftwerkes ist in Deutschland für alle Zeiten unmöglich.

Seit nunmehr 10 Jahren (Juni 2000) hatten wir eine politische, parlamentarische Beschlusslage durch rot/grün zu einem „Atomausstieg“. Abgeschaltet wurde in diesem Jahrzehnt kein einziges relevantes Atomkraftwerk. Im Gegenteil, es wurden noch neue Atomanlagen genehmigt. Die sog. Zwischenlager an allen AKW-Standorten. Dorthin verschwindet seit 2005 der hochradioaktive Atommüll. Und die Urananreicherungsanlage in Gronau konnte ihre Kapazität mehr als verdoppeln.

Statt die Atomkraftwerke endlich abzuschalten und die weitere sofortige regenerative Energiewende zu verwirklichen, sollen weitere unendliche Laufzeitverlängerungen stattfinden.

So nicht. Atomausstieg sofort – Energiewende jetzt!

Informationen zum Thema Atomausstieg und allen im Jahr 2011 geplanten (auch überregionalen) Aktionen auf der Homepage des Aktionsbündnis CastorWwiderstand Neckarwestheim: http://neckarwestheim.antiatom.net

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