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Ludwigsburger Kreiszeitung, 25.01.08

> Atomkraftgegner sieht sich zum Staatsfeind gestempelt

Die Polizei nimmt gesetzliche Hürden für die Speicherung
personenbezogener Daten nicht allzu ernst, meint das Büro des
Landesbeauftragten für Datenschutz in einem Schreiben an einen
betroffenen Atomkraftgegner aus Marbach. Werde ein Bürger erst einmal
eines politisch motivierten Delikts verdächtigt, speichere der
Staatsschutz "auch legale Verhaltensweisen relativ unbekümmert hinzu".

Am 4. Juli 2007 erhielt H. W. eine E-Mail an seine Geschäftsadresse: Er
möge sich mit dem Fachbereich Kreispolizeiangelegenheiten im
Ludwigsburger Landratsamt in Verbindung setzen. Am Telefon erfuhr W.,
dass er bei der Polizeidirektion Ludwigsburg als "Leiter" des
Aktionsbündnisses Castor-Widerstand Neckarwestheim geführt werde und
deshalb für die Anmeldung einer "öffentlichen Versammlung unter freiem
Himmel" zu sorgen habe, die vier Tage später stattfinden solle.
Tatsächlich gehört W. zu den Protagonisten der Anti-Atomkraft-Bewegung im
Kreis, tatsächlich lud die Internetseite des Aktionsbündnisses für den 8.
Juli 2007 zum "Anti-AKW-Spaziergang" am Neckarwestheimer Meiler ein. Doch
weder habe es sich dabei um eine Veranstaltung mit
Demonstrationscharakter gehandelt noch sei er "Leiter" des
"basisdemokratisch" organisierten Bündnisses, beteuert W.
Weil am fraglichen "Sonntagsspaziergang" laut W. schließlich dennoch acht
Kernkraftgegner sowie vier Streifenwagen "teilnahmen", wird seither wegen
eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gegen ihn ermittelt. Doch
nicht nur deshalb sieht W. sich "kriminalisiert". Zwar sei er vor einigen
Jahren im Zusammenhang mit Castor-Blockaden in Neckarwestheim wegen einer
Ordnungswidrigkeit verurteilt worden, räumt er ein. Doch Straftaten habe
er sich nie zuschulden kommen lassen: Mehrere Ermittlungsverfahren gegen
ihn wurden eingestellt, in einem zur Verhandlung gekommenen Fall wurde er
freigesprochen. Dennoch, so W., spreche alles dafür, dass seine Daten "in
der politischen Straftäterdatei" registriert seien.
Davon geht auch das Büro des Landesdatenschutzbeauftragten Peter
Zimmermann aus: W.s Name dürfte sich, heißt es im zitierten Schreiben,
nach "Andeutungen, die uns gegeben wurden", in der Arbeitsdatei politisch
motivierte Kriminalität finden. Sie wird vom Staatsschutz beim
Landeskriminalamt (LKA) geführt, erfasst die Daten von 29 000 Personen
und wurde von Zimmermann mehrfach wegen "grundsätzlicher
datenschutzrechtlicher Mängel" kritisiert.
Dabei hält es Zimmermann, der sich zum Fall W. inhaltlich erst nach
Vorlage einer Stellungnahme des Landeskriminalamts äußern will, generell
durchaus für zulässig, dass die Polizei Erkenntnisse aus
Ermittlungsverfahren im Rahmen bestimmter Fristen speichert. Doch häufig,
und dagegen verwahrt sich der Datenschutzbeauftragte in seinem jüngsten
Tätigkeitsbericht abermals, tauchten in der Datei auch Handlungen auf,
die zwar politisch motiviert, aber in keiner Weise illegal seien, sondern
im Gegenteil eine Wahrnehmung demokratischer Grundrechte.
W. kommt das bekannt vor: Als er 2001 beim Bundeskriminalamt Auskunft
über seine dort gespeicherten Daten erbat, enthielt die Liste neben den
besagten Ermittlungsverfahren auch Aufzeichnungen über seine Teilnahme an
genehmigten Demonstrationen in Obrigheim, Philippsburg und
Neckarwestheim. Weshalb W. am 23. Juli 2007 wiederum um Datenauskunft
ersuchte - und von der Kreispolizeibehörde inzwischen erfuhr, seine
Personalien seien dort sogar nur im Zusammenhang mit der Anmeldung von
Demonstrationen registriert gewesen.
Das Bundeskriminalamt beschied W.s Anfrage diesmal mit der Auskunft,
Informationen über ihn fänden sich unter anderem in der Verbunddatei
"Innere Sicherheit", das Landeskriminalamt teilte ihm Ende September 2007
mit, zwei bis dahin gespeicherte, jüngere Ermittlungsverfahren seien im
Zuge "der laufenden Sachbearbeitung gelöscht" worden, "da ein weiter
bestehender Tatverdacht nicht gegeben war". Mitteilungen darüber, ob und
welche weiteren Daten der Staatsschutz über ihn weiterhin verfügbar hält,
wurden W. mit dem pauschalen Hinweis verweigert, dass die Polizei von
ihrer Auskunftspflicht entbunden sei, sofern dies die Erfüllung ihrer
Aufgaben gebiete.
Der Landesdatenschutzbeauftragte hat 2007 parallele Fälle aufgelistet -
und dahingehend kommentiert, das LKA offenbare diesbezüglich "ein
erschreckendes Verständnis von den Aufgaben der Polizei in einem
demokratischen Rechtsstaat". Für W. liegen die Motive des Staatsschutzes
dabei auf der Hand: "Atomkraftgegner sollen zu Staatsfeinden erklärt
werden."
Steffen Pross


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