(In der Folge drei Artikel aus der heutigen LKZ)

Ludwigsburger Kreiszeitung, 08.04.10

GEMMRIGHEIM/NECKARWESTHEIM

> Luft für bis zu zehn Jahre längere Laufzeit

Sollte die Bundesregierung die Laufzeiten für Kernkraftwerke um acht bis zehn Jahre
verlängern, so hätte die EnBW ihre "Entsorgungsprobleme" für den dadurch im Meiler
Neckarwestheim zusätzlich entstehenden Atommüll bereits weitgehend "gelöst": Das
Zwischenlager in Gemmrigheim ist groß genug für ein solches Szenario.

Wie aus einer Antwort von Landesumweltministerin Tanja Gönner (CDU) auf eine Anfrage
des Grünen-Landtagsabgeordneten Franz Untersteller (Bietigheim-Bissingen) hervorgeht,
verfügt das Zwischenlager über 151 Standplätze für Atommüll-Sicherheitsbehälter.

Würden die beiden Reaktoren GKN I und GKN II nach dem noch geltenden, rot-grünen
Ausstiegsgesetz in diesem Jahr beziehungsweise 2021 (nach einer Regellaufzeit von 32
Jahren) abgeschaltet, so wären dann aber erst 110 Standplätze belegt - 41 Castoren hätten
in Gemmrigheim damit noch Platz. Weil in Neckarwestheim laut Gönner jährlich vier bis fünf
Sicherheitsbehälter mit abgebrannten Brennelementen anfallen, bedeutet das: Beide Meiler
könnten acht bis zehn Jahre länger am Netz bleiben, ohne dass deshalb die Endlagerfrage
geklärt oder das Standort-Zwischenlager erweitert werden müsste.

Obwohl die Zwischenlager direkt an den Kraftwerkstandorten Teil der rot-grünen
Ausstiegsstrategie waren, ist doch keines so ausgelegt, dass es eng an einer Reaktorlaufzeit
von 32 Jahren orientiert wäre. Vielmehr weist eine Auflistung des Bundesamtes für
Strahlenschutz (BfS) in allen Zwischenlagern über dem Bedarf liegende Kapazitäten aus.
Diese Reserve sei vor allem wegen der möglichen Übertragung von Reststrommengen von
älteren auf neuere Reaktoren nötig, durch die sich auch der Zwischenlager-Bedarf an den
jeweiligen Standorten verändern würde, so das BfS. In Neckarwestheim freilich wird sie zum
Puffer für eine insgesamt längere Reaktorlaufzeit - ganz ohne Strommengenübertragung.
Steffen Pross

KREIS LUDWIGSBURG

> Seit 48 Jahren ungeklärt: Wohin mit dem Atommüll?

Auch 48 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten deutschen Kernkraftwerks gibt es in der
Bundesrepublik noch kein Endlager für Atommüll. Zwar schien die Standortfrage 1977
entschieden, als sich die damalige niedersächsische Landesregierung unter Ernst Albrecht
(CDU) auf Gorleben festlegte. Doch bislang ist der dortige Salzstock noch nicht einmal
abschließend auf seine Tauglichkeit untersucht. Die rot-grüne Bundesregierung setzte die
Erkundungen in Gorleben im Jahr 2000 aus, das novellierte Atomgesetz von 2002 führte zur
Einrichtung dezentraler Zwischenlager direkt an den Reaktorstandorten. Sie sollten die
Endlagerungslücke - bei einer Regellaufzeit von 32 Jahren pro Meiler - überbrücken.
Inzwischen will Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Erkundung von Gorleben
in absehbarer Zeit fortführen. Allerdings hat der Bundestag einen Untersuchungsausschuss
wegen des Verdachts eingesetzt, die damalige Regierung Kohl habe 1983 politischen
Einfluss auf Gutachten zur Standortsicherheit genommen. Außerdem laufen in fünf Jahren
über 100 Verträge des Landes Niedersachsen mit Grundbesitzern in Gorleben aus.
Solange kein Endlager errichtet ist, muss der - mit längeren Reaktorzeiten weiter
zunehmende - Atommüll in den dezentralen Zwischenlagern deponiert werden. (pro)

KREIS LUDWIGSBURG

> Eigentor

Möglichst schnell raus aus dem Atomstrom wollten SPD und Grüne, als sie vor zehn Jahren
mit der Energiewirtschaft den sogenannten Atomkonsens aushandelten. Acht Jahre nach der
Novellierung des Atomgesetzes und fünf Jahre nach der Abwahl von Rot-Grün wird jetzt klar:
Das Ausstiegsgesetz hat sein Ziel verfehlt - denn es hat jene Hintertüren geöffnet, durch die
die Stromriesen und ihre politischen Fußtruppen nun den von ihnen gewollten, längeren
Laufzeiten zueilen können.

Als grundsätzliche Schwäche des Ausstiegsgesetzes erweist sich dabei für alle, die den
schnellstmöglichen Abschied von der Kernkraft wollen, die Übersetzung der politisch
angepeilten Regellaufzeit der Meiler von 32 Jahren in ökonomisch handhabbare
Produktionsmengen. Sie hat die Stromkontingente zur taktischen Größe in den
Konzernzentralen gemacht und es im Fall Neckarwestheim der EnBW ermöglicht, den
älteren Meiler GKN I nicht etwa - wie ursprünglich vorgesehen - 2008 abzuschalten, sondern
durch Produktionsdrosselung bis zum bevorstehenden Ausstieg aus dem Ausstieg über die
Runden zu retten. Das Ergebnis des Gesetzes ist mithin das Gegenteil dessen, was seine
roten und grünen Autoren wollten.

Gleiches gilt für die Übertragbarkeit von Reststrommengen: Statt dass ältere Meiler
zugunsten jüngerer schneller vom Netz genommen worden wären, entstanden an den
Kraftwerkstandorten größere Zwischenlager als für 32 Jahre Reaktorlaufzeit nötig. Und diese
Überkapazitäten ermöglichen es nun, dass in Neckarwestheim neben Strom erst einmal
auch zusätzlicher Atommüll produziert werden kann, ohne dass Energiewirtschaft oder Politik
die Frage nach dem Wohin schlüssig beantworten müssten. Zwar reicht die Reserve nicht
bis 2050 - der momentanen Maximalforderung der Laufzeiten-Verlängerungslobby. Doch bis
2030, dem Minimalangebot von Bundesumweltminister Norbert Röttgen, reicht sie in
Neckarwestheim allemal.
Steffen Pross



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