Verfahren zum Abriss des AKWs Neckarwestheim I:
Aufruf zum Protest vor der Reblandhalle am Dienstag 16.6.15
(10.06.2015, Presseinfo mit Hintergrundinfo und Aufruf zur Protestaktion, AG AtomErbe Neckarwestheim)
Wir sagen unsere Teilnahme am Erörterungstermin zum 1. Abrissverfahren des AKWs Neckarwestheim I ab, erklären die in der AG AtomErbe Neckarwestheim verbundenen Bürgerinitiativen zur nichtöffentlichen Sitzung am 16.6.15 in Neckarwestheim. „Für die Simulation von Bürgerbeteiligung stehen wir nicht zur Verfügung.
Die Folgen der falschen Abrisspläne betreffen viele Generationen, das darf nicht im Hauruck-Verfahren genehmigt werden“, fordert H. Würth vom Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim und verweist auf die 2500 schriftlichen Bürgereinwendungen gegen Inhalt und Form des Verfahrens.
„Trotz absolut mangelhafter Unterlagen der EnBW haben wir und viele andere Menschen detaillierte Kritik an den Plänen eingereicht, diese Einwendungen sind Teil des Rechtsverfahrens und dürfen von der Behörde nicht ignoriert werden. Das Umweltministerium hat aber eine eigene inhaltliche Vorbereitung des mündlichen Termins abgelehnt. Zugleich verweigert man uns die Zusage nachfolgender Erörterungen z.B. zum am höchsten belasteten Reaktordruckbehälter“, kritisiert S. Mende-Lechler von
der Bürgerinitiative Antiatom Ludwigsburg, „so bleibt uns Bürgern eine reine Statisten-Rolle.“
Am Ende des AKW-Abrisses von Block I werden circa 330.000 Tonnen AKW-Müll stehen, von denen der größte Teil in freien Umlauf gebracht werden darf, wenn die Behörden die Pläne der EnBW genehmigen. Gleichzeitig dürfen die geplante Abrissfabrik und ein neues, unbefristetes Lager über mindestens ein bis zwei Jahrzehnte ständig radioaktive Luft und radioaktives Wasser in die Umwelt abgeben. „Was hier und ebenso in Philippsburg geplant ist, nach dem schlechten Vorbild in Obrigheim, das ist skandalös“, empört sich F. Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, „die EnBW soll billig abreißen dürfen, die Gesundheit der Menschen gilt als unerheblich, da machen wir nicht mit. Die beliebige ‘Freigabe’ und ’Herausgabe’ des AKW-Schrotts lehnen wir ab.“
Dr. J. Schmid von der Aktion Strom ohne Atom Stuttgart ergänzt: „EnBW und Behörden zerreißen das ganze Projekt in viele kleine Teilverfahren und Verwaltungsbescheide. Außer im aktuellen Rumpfverfahren bleiben die Bürger überall außen vor, sogar bei der Abrissfabrik und dem neuen Lager. So amputiert man die Informations- und Mitspracherechte der betroffenen Menschen. Diese zentrale Kritik am Genehmigungsverfahren haben wir von Anfang an klar geäußert. Statt darauf zu
reagieren, will das Ministerium nun eine Show-Veranstaltung durchziehen.“
„Unsere wichtigste Forderung bleibt: Alle AKWs abschalten, sofortiges Aus für Block II. Aber als AG AtomErbe Neckarwestheim denken wir weit über das Abschalten der AKWs hinaus und verlangen auch für Stilllegung, Abrüstung und Abbau der AKWs höchste Sicherheit“, erklärt J. Hellgardt von der Arbeitsgemeinschaft AtomErbe, „wir werden deshalb am Di. 16.6.15 diese Forderung nicht in, sondern vor der Reblandhalle in Neckarwestheim äußern. Alle Menschen, denen das atomare Erbe nicht egal ist, mögen sich uns ab 9:30 Uhr anschließen.“
Protestaufruf:
Aufruf an alle Menschen,
mit uns gegen die Art des Genehmigungsverfahren und gegen den unverantwortlichen Umgang mit dem atomaren Erbe zu protestieren:
Kommt zum öffentlichen Protest am Dienstag 16.6.2015 vor die Reblandhalle in Neckarwestheim!
Während innen ein geschlossenes Alibi-Verfahren durchgezogen wird, gibt es bei uns vor der Halle Information, Diskussion und Aktion. Bringt Protestmittel mit und zeigt Eure Empörung.
Ort: Reblandstr. 31, 74382 Neckarwestheim. Per Bus vom Bahnhof Kirchheim/Neckar erreichbar.
Geplanter Zeitablauf:
- 08:30 Uhr Beginn Protestaktion
- 10:00 Uhr Beginn „Alternative Erörterung“
Hintergrundinfos
Hier die wichtigsten Kritikpunkte und Fakten zum Genehmigungsverfahren für Stilllegung und Abbau von Neckarwestheim I. Viele Hintergrundinfos findet Ihr auf unserer Webseite www.AtomErbe-Neckarwestheim.de
Falscher Rahmen:
- Die Rechtslage lässt zwar (einmalige) Äußerungen der Bürger zu, aber diese haben im Verfahren real grundsätzlich Nachrang gegenüber den Interessen des
Antragstellers, denn der Antragsteller hat ein formales Recht auf Genehmigung, sobald er nur die minimalen Erfordernisse erfüllt. Der optimale Schutz der Bürger
und der Natur ist nicht vorgesehen.
- Die übliche Rechtsauslegung wertet mutmaßlich kleine Strahlungsdosen und mutmaßlich kleine Risiken als „unerheblich“ und damit werden Rechtsansprüche der
Bürger ausgeschlossen („de-minimis-Prinzip“). Dieses Prinzip im Atomrecht unterläuft das Minimierungsgebot des Strahlenschutzes.
- Ebenso wird im Strahlenschutz statt des Minimierungsgebots oft nur das schwächere Optimierungsgebot angewandt.
- Die Atomverfahrensverordnung sieht nur ein Minimalprogramm für die Unterlagen-Auslegung vor.
Grundfehler des Verfahrens:
- Abtrennung des RBZ- und des SAL-Verfahrens („RBZ“=Abrissfabrik, „SAL“=neues Atommülllager).
- Verweigerte Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) und Öffentlichkeitsbeteiligung bei RBZ und SAL (s.u.)
- Die „Nachbetriebsphase“ nimmt Abrissschritte vorweg, wird aber aus der Gesamtbetrachtung ausgeblendet.
- Abtrennung weiterer Bereiche des Gesamtprojektes (z. B. Transporte, „Freigabe“...)
- Abtrennung des so genannten konventionellen Abrisses nach „Frei-“ und „Herausgabe“.
- Mehrere Genehmigungen, aber voraussichtlich nur 1x UVU und Öffentlichkeitsbeteiligung.
- Geplante und vom Ministerium nie infrage gestellte „Herausgabe“, obwohl es für diese keine Rechtsgrundlage gibt.
- Das Umweltministerium hat Unterlagen für die Auslegung akzeptiert, die noch nicht einmal für die Minimalanforderungen der Atomverfahrensverordnung taugen.
Massive inhaltliche Mängel des Antrags, bei denen wir nach den bisherigen Äußerungen und bisherigem Verhalten des Ministeriums davon ausgehen
müssen, dass es diese akzeptieren wird:
- Freimessen/Freigabe sind vielfach rechtswidrig, aber beantragt und geübte Praxis.
- Abrissmaßnahmen sollen erfolgen dürfen, noch während Brennelemente und evtl. auch einzelne defekte Brennstäbe im AKW sind.
- Start des Abrisses, ohne zuerst ein detailliertes radiologisches Gesamtkataster erhoben zu haben.
Standortspezifische Mängel:
- Auch bei diesem Verfahren werden die Probleme des Untergrundes und der Grundwasserabpumpung mit den alten Unwahrheiten ausgeblendet.
- Parallelbetrieb von laufendem Block II und Abriss von Block I ist zu gefährlich.
- Es wird so getan, als sei das Zwischenlager voll funktionsfähig und könne jederzeit Castoren aufnehmen, tatsächlich muss aber dessen Betriebserlaubnis infrage gestellt werden, deshalb wird es zu Verzögerungen kommen.
Skandalöser Verzicht auf UVU und Öffentlichkeitsbeteiligung bei „RBZ“ und „SAL“:
- Angeblich keine Umweltauswirkungen, obwohl diese z.B. ständig große Mengen Radioaktivität über Wasser und Luft abgeben dürfen, sie sollen sogar mehr erlaubt bekommen, als vorher das laufende AKW real abgab.
- Die beantragten Mengen werden nicht nachvollziehbar benannt und sind zum Zeitpunkt des Erörterungstermins noch nicht rechtskräftig, also auch in zusammengeführter Betrachtung für die Bürger nicht verlässlich nachvollziehbar.
Das Umweltministerium Baden-Württemberg ist nicht unabhängig von der EnBW:
- Seit dem „Mappus-Deal“ zieht sich durch die Landespolitik ein roter Faden der Rücksichtnahme auf die finanziellen und sonstigen Interessen der EnBW. Auf Maßnahmen, die der EnBW „weh“ tun könnten, wird konsequent verzichtet.
- Das Land hat bereits hunderte Millionen Euro in die EnBW nachschießen müssen, kann sich die erforderliche Stilllegung von GKN II und KKP 2 vordergründig ebensowenig „leisten“ wie ein wirklich sicherheitsorientiertes Durchgreifen bei Stilllegung und Abriss. Baden-Württemberg hat mit der EnBW bereits seine „Atom-Bad-Bank“ und scheut zusätzliche Kosten für die EnBW.
- Das Umweltministerium hätte der EnBW bei der Abspaltung der Verfahren zu „RBZ“ und „SAL“ nicht nachgeben müssen, hat dies aber ohne Not getan.
- Das Umweltministerium hätte dem Verzicht auf UVU und Öffentlichkeitsbeteiligung bei „RBZ“ und „SAL“ nicht zustimmen müssen, weil eine neue Umweltbeeinträchtigung und radioaktive Belastung der Anwohner durch Abluft und Abwasser der beiden Bauwerke RBZ und SAL auftreten wird.
Einen großen Teil der schwerwiegenden Mängel des Verfahrens hätte das Umweltministerium vermeiden können. Offensichtlich wollte es das nicht.
So wird das Verfahren zur Farce.