Berufungsverhandlung am Landgericht Heilbronn
Während einer Blockade des AKW Neckarwestheim Ende April 2013 raste ein PKW durch mehrere Absperrungen bis in die Demonstration hinein. Der Fahrer, der ohne das Eingreifen der Protestierenden bei dieser massiven Gefährdung nicht nur einen von ihnen verletzt hätte, wird von Polizei und Justiz geschützt. Diese geht gegen die eigentlich Betroffenen: Mit Polizeigewalt vor Ort und lächerlichen Ermittlungen und Anklagen im Nachgang. So fand sich ein Aktivist am Freitag, den 10. Juli bereits in der zweiten Instanz vor dem Landgericht Heilbronn dem Vorwurf einer »Beleidiung« ausgesetzt: »Laber doch ned so ne Scheiße, Mann«, soll er zu einem Polizisten gesagt haben. Nach mehreren Stunden wurde der Prozess schließlich eingestellt. Der Aufwand lohne dem Gericht nicht die geringe zu erwartende Strafe.
Im Laufe der etwa 10-stündigen Blockadeaktion für einen sofortigen Atomausstieg durchbrach plötzlich ein PKW die Absperrungen und Transparente an der Zufahrt zum Gelände, die ihm die Sicht auf möglicherweise dahinter befindliche Personen versperrt haben müssen und fuhr in die Demonstartion hinein auf weitere hölzerne Blockadekonstruktionen - auf denen sich in fünf Metern Höhe Menschen befanden - zu. Herbeieilende Aktivist_innen zwangen den Fahrer vorerst anzuhalten. Der blieb aber nicht dabei. Trotz der Aufforderung, den Wagen zu stoppen, gab er erneut Gas und setzte mehrmals vor und zurück. Hierbei zogen sich mehrere Personen Prellungen zu, einem Demonstranten fuhr er trotz Warnrufen über den Fuß und blieb mehrere Sekunden darauf stehen. Erst nachdem der Fahrer überzeugt war, vom Fuß herunter zu fahren und weitere Fahrversuche zu unterlassen kam die Polizei herbei, die sich bis dahin nicht in ihrer passiven Beobachtung der Versammlung stören ließ.
Als sie sich einmischte, beschwerte sich der Amokfahrer darüber, dass sein Auto beschädigt worden sei – was augenscheinlich nichteinmal der Fall war – so dass die Polizist_innen gegen die Demonstrant_innen vorgingen und diese mit Gewalt (schlagen und würgen) abzudrängen und Personalien aufzunehmen versuchten. Dabei wurde einer Aktivistin ein Finger gebrochen und möglicherweise die Bänder gerissen. Derjenige dessen Fuß unter den Reifen geriet, klagt bis heute über Schmerzen.
Statt Spurensicherung zu betreiben verharmloste die Polizei den Vorgang als »Verkehrsunfall« und »fahrlässig« und weigerte sich Anzeigen der Betroffenen aufzunehmen. Nun, nachdem die trotzdem erwirkten Verfahren gegen den Mann, der seiner Aussage zufolge wegen des »Packs« Umweltaktivist_innen »schon viel Geld verloren« habe, eingestellt wurden, sollten sich die Aktivist_innen wegen Lächerlichkeiten und Kleinigkeiten verantworten.
So wurden einige der rund 40 Aktivist_innen vorgeladen, um wegen angeblicher Sachbeschädigung, Bedrohung und Beleidigung vernommen zu werden. Einem sollte am Freitag, den 10. Juli 2015 vor dem Landgericht Heilbronn erneut der Prozess gemacht werden, nachdem er gegen seine Verurteilung vor dem Amtsgericht Besigheim Berufung eingelegt hatte. Er hätte einen Polizisten geduzt und aufgefordert: »Laber doch ned so ne Scheiße, Mann!«, weshalb er sich beleidigt fühle. Diesmal schien dem Richter allerdings der Aufwand, eine Verurteilung zu erreichen zu hoch und er stellte das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein, bevor der Prozesstag zu Ende war und durch den sich offensiv selbst verteidigenden Angeklagten und seine Verteidigung neue Sachverhalte vorgebracht werden sollten, die einen Freispruch hätten nahelegen müssen. Die Identität des Täters nämlich war keineswegs sicher geklärt. »Es hätte uns zwar sehr gejuckt, aber die zu erwartende Strafe steht einfach in keinem Verhältnis zum Aufwand«, begründete der Richter seine Entscheidung. Es sei außerdem eine Frechheit, dass der Angeklagte sich nicht vorbehaltlos über die Einstellung freue sondern auch noch fordere, dass die Staatskasse seine Auslagen übernähme.