Stuttgarter Zeitung, 16.03.09

> Die Freunde der Kernkraft firmieren nun als Klimaschützer

Aus dem Atomforum der EnBW ist eine diskret wirkende Stiftung geworden - "Neutrale Plattform für ideologiefreie Diskussion"
 
Betreibt die EnBW Lobbyarbeit unter dem Mantel einer gemeinnützigen Stiftung? Keineswegs, versichert der Karlsruher Stromkonzern. Doch ganz abwegig ist der Verdacht nicht: Neben dem Klimaschutz geht es auch um politische Klimapflege.

Von Andreas Müller

Es ist eine geschlossene Gesellschaft, die alle sechs Wochen auf Einladung der EnBW zusammenkommt. Nur handverlesene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft haben Zugang zu den Debattenabenden der Stiftung Energie und Klimaschutz. Man trifft sich in gehobenen Hotels, genießt ein dreigängiges Menü und lauscht dabei Vorträgen über aktuelle Themen der Branche.

Oft lockt die Stiftung des Stromkonzerns mit hochrangigen Referenten: ein EU-Kommissar war schon da, Regierungsmitglieder aus Berlin und Stuttgart, international renommierte Experten. Die anschließende Diskussion moderiert meist der SWR-Talkmaster Wieland Backes, danach gehen die Gespräche an den Tischen weiter. Angenehm und anregend seien die Veranstaltungen, loben die Teilnehmer allenthalben.

Ein Jahr lang besteht die Stiftung inzwischen, aber öffentlich ist sie noch kaum in Erscheinung getreten. Ähnlich diskret agierte schon die 2005 gegründete Vorgängerinstitution, das "Forum Kernenergie". Nicht einmal die Namen der Kuratoren mochte die EnBW damals verraten, das falle unter den Datenschutz. Selbst einem Vertreter der atomfreundlichen Landesregierung ging die Geheimbündelei zu weit: Es habe wenig Sinn, monierte er intern, sich hinter verschlossenen Türen ständig gegenseitig zu versichern, wie fabelhaft die Kernkraft doch sei.

Mit der neuen gemeinnützigen Stiftung will die EnBW den Themenfokus erweitern. Vorrangiges Ziel ist es laut Satzung, angesichts der fortschreitenden Erderwärmung den Klimaschutz zu fördern. Dazu wolle man Diskussionen über "alle energiewirtschaftlichen Bereiche" anstoßen - von Fragen der Erzeugung bis zur Energienutzung. "Wir bieten eine neutrale Plattform für einen ideologiefreien Meinungsaustausch", sagt der Vorstandssprecher und EnBW-Mann Wolf-Dietrich Erhard. Es gehe nicht darum, einseitig für die Atomkraft zu werben.

Doch die ursprüngliche Intention schimmert immer noch durch. Im ersten Faltblatt propagierte die Stiftung ausdrücklich die friedliche Nutzung der Kernenergie. Für den SPD-Landtagsabgeordneten Thomas Knapp war das der Anlass, die Berufung ins Kuratorium abzulehnen. Die verräterische Passage ist inzwischen korrigiert, nach dem anfänglichen Boykott geht Knapp inzwischen zu den Debattenabenden. Auch die Grünen-Politiker Franz Untersteller und Boris Palmer ließen sich nicht als Kuratoren vereinnahmen. Er wolle sich "die Freiheit erhalten, die EnBW weiterhin zu kritisieren", begründet der Landtagsabgeordnete Untersteller die Absage.

Entsprechend einseitig sind die Gremien mit Politikern besetzt. Im Stiftungsrat sitzen CDU-Fraktionschef Stefan Mappus und Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP), beides Atomfreunde. Im Kuratorium wimmelt es von CDU-Leuten, darunter gleich drei Exminister und Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. Einziger Sozialdemokrat ist der Exeuropaabgeordnete Rolf Linkohr, als Kernkraftfan ein Exot in seiner Partei. Die für die Atomaufsicht zuständige Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) dagegen wahrt Distanz, wohl nicht zufällig. Ihr oberster Kraftwerkskontrolleur aber ist regelmäßig Gast.

Natürlich betreibe die Stiftung "Lobbyarbeit" für die EnBW, sagt der SPD-Mann Knapp, "das ist doch völlig klar". Dafür spricht auch die Besetzung des Vorstands: Neben dem Kerntechniker Erhard agieren dort der Cheflobbyist des Konzerns und ein für "Technik, Öffentlichkeitsarbeit und Politik" zuständiger Bevollmächtigter. Doch der Sprecher will von Lobbyismus nichts wissen: Man wolle "niemanden beeinflussen", sondern ein Forum für eine breite Palette von Meinungen bieten.

Das gelingt mal mehr, mal weniger. Beim Abend über die Endlagerproblematik zum Beispiel bekamen die EnBW-Leute durchaus Widerworte zu hören: Trotz Gorleben müsse man einen neuen Suchlauf starten. Als es um die umstrittene Stromlücke ging, waren beide Redner dagegen weitgehend einig mit dem Konzern: Der Atomausstieg führe tatsächlich zu Engpässen. Noch mehr Pluralität will Erhard dadurch erreichen, dass künftig auch kritische Organisationen wie Greenpeace oder der Bund für Umweltschutz auf dem Podium vertreten sind; entsprechende Gespräche bereite man derzeit vor.

In der Satzung ist, auch in Bezug auf die Abende, zwar ausdrücklich von einer "öffentlichen Diskussion" die Rede. Doch den Begriff Öffentlichkeit interpretiert die EnBW etwas eigenwillig. Medienvertreter sind bei den Abenden generell nicht zugelassen. Eingangs wird gerne mal hervorgehoben, es seien "keine Journalisten" im Raum - was immer das den Zuhörern signalisieren soll. Das breite Publikum wird nur gefiltert durch Pressemitteilungen informiert. Auch eine Fachzeitschrift, die als einzige berichten darf, ist dabei nicht wirklich unabhängig: Sie firmiert als "Medienpartner" der Stiftung.
 

16.03.2009 - aktualisiert: 16.03.2009 05:41 Uhr

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