Stuttgarter Zeitung, 25.07.06

> Die EnBW und ihr geheimer Zirkel von Atomexperten

Wer sitzt eigentlich im neu gegründeten Forum Kernenergie? - Stromkonzern
schweigt sich über die Mitglieder aus

Einst ist sie gegründet worden, um erneuerbare Energien zu fördern. Nun
befasst sich die Stiftung Energieforschung der EnBW mit der Zukunft der
Kernkraft. Mit dabei: Exatomaufseher Dietmar Keil.

Von Andreas Müller

Die Antwort von Dietmar Keil (65) war klipp und klar. "Ich bin zu keinem
Zeitpunkt Berater der EnBW gewesen", versicherte der langjährige Chef der
Atomaufsicht des Landes. Niemals habe er ein solches Angebot von dem
Stromkonzern erhalten und "infolgedessen auch niemals eine Vergütung
entgegengenommen".

Die Antwort der Energie Baden-Württemberg AG war ebenfalls klar, aber mit
einer Einschränkung. "Eine Beratertätigkeit von Herrn Dr. Keil ist uns
nicht bekannt", verkündete die Pressestelle. "Um keine Missverständnisse
oder Fehlinterpretationen aufkommen zu lassen", folgte jedoch ein Zusatz:
der einstige Atomaufseher sei einer von etwa 50 Kuratoriumsmitgliedern
bei dem von der Stiftung Energierforschung Baden-Württemberg ins Leben
gerufenen Forum Kernenergie Baden-Württemberg.

Stiftung Energieforschung? Forum Kernenergie? Erstere ist gut anderthalb
Jahrzehnte alt und fast in Vergessenheit geraten, Letzteres frisch
gegründet und noch nahezu unbekannt. Es war 1989, als die Landesregierung
von Lothar Späth wieder einmal ein "bundesweit einmaliges" Projekt
verkündete: Gemeinsam mit vier Energieversorgungsunternehmen - den
Vorläufern der heutigen EnBW - gründe man eine Stiftung, um die
erneuerbaren Energien zu fördern. Aus den Erträgen des Kapitalstocks, im
Endzustand 50 Millionen Euro, sollten Forschungsvorhaben etwa zur
Solarenergie oder zur Wasserkraft finanziert werden. Vorsitzender des
Stiftungsrates wurde der damalige Wirtschaftsminister Hermann Schaufler
(CDU).

Doch die hochfliegenden Pläne fielen bald dem Sparzwang zum Opfer. Das
Land, inzwischen von Erwin Teufel regiert, hatte kein Geld mehr und zog
sich schließlich ganz aus der Stiftung zurück. Heute wird sie, als
gemeinnützige Organisation öffentlichen Rechts, alleine von der EnBW
geführt, versehen mit einem Kapital von gut 25 Millionen Euro. Ihr Zweck
laut Satzung: "Förderung regenerativer Energien, der rationellen
Energienutzung und der Energiewirtschaft", möglichst mit Bezug zu Baden-
Württemberg.

Ging es anfangs eher um Alternativen zur Atomkraft, so soll diese nun
selbst von der Arbeit der Stiftung profitieren. Auf Anregung des Landes
und der EnBW jedenfalls etablierte sie im Dezember 2005 das Forum
Kernenergie. Damit entstehe "eine Plattform zur offenen und fundierten
Diskussion aktueller und allgemeiner Fragen rund um die Nutzung der
Kernenergie", loben Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) und EnBW-
Technikvorstand Thomas Hartkopf in einer gemeinsamen Erklärung zur
Gründung. Trotz des Atomausstiegs wolle man die fachliche Kompetenz
erhalten und den Südwesten als "kerntechnischen Forschungsstandort"
sichern. Die Themenpalette reiche "von der globalen Dimension . . . bis
hin zu konkreten Perspektiven für Baden-Württemberg". Diskutiert werden
soll unter anderem über die Entwicklung neuer, sicherer Reaktoren sowie
über Neubauprojekte in Europa.

Über die personelle Zusammensetzung des Forums gibt die EnBW nur vage und
widerwillig Auskunft. Bei dem "exklusiven Kreis von Kuratoren" handle es
sich um "Persönlichkeiten aus Forschung, Politik, Wissenschaft und
Gesellschaft" aus Südwestdeutschland, der Schweiz und Frankreich, die
"wegen ihrer hohen Kompetenz ausgewählt" wurden. Namen mag der
Stromkonzern, abgesehen von Keil, indes keine nennen: Das seien
"personenbezogene Daten", die dem Datenschutz unterliegen. Ohne Erlaubnis
der Betroffenen dürfe man sie leider, leider nicht herausgeben. Wozu die
Geheimniskrämerei? Nach der Mitgliederliste, die der Stuttgarter Zeitung
vorliegt, ist das Kuratorium eher unspektakulär besetzt. Da wimmelt es
zum einen von EnBW-Managern, vom Technikvorstand über die Kraftwerkchefs
bis zum Berliner Cheflobbyisten. Die Landespolitik ist vertreten durch
Umweltministerin Gönner, ihren Amtschef und ihren Vorvorgänger Ulrich
Müller. Das zunächst vergessene Wirtschaftsministerium durfte einen
Abteilungs- und einen Referatsleiter entsenden.

Aus der "großen" Politik kommen die CDU-Bundestagsabgeordneten Joachim
Pfeiffer und Kurt Dieter Grill sowie der frühere Europaparlamentarier
Rolf Linkohr (SPD). Die Wissenschaftler sind meist durch den Zusatz
"Prof. Dr." erkennbar - darunter übrigens auch der Doktorvater des von
der EnBW gefeuerten Neckarwestheimer Reaktorchefs Eberhard Grauf. Und
zwei ausgewiesene Kernkraftkritiker zählen, sofern es sich nicht um
Namensvetter handelt, ebenfalls zu der Runde: Michael Sailer von der
Reaktorsicherheitskommission und Wolfram König vom Bundesamt für
Strahlenschutz.

Allzu arbeitsintensiv ist das Forum offenbar nicht: Bisher hat es erst
einmal getagt, Ende März zum Thema "Proliferation". Dafür gibt es auch
"keine Vergütung", wie die EnBW betont; nur Reisespesen werden wohl
bezahlt. Er bekomme auch keine Aufwandsentschädigung, keinen
Auslagenersatz oder Ähnliches, beteuert Dietmar Keil, der Wert darauf
legt, das Mandat erst als Pensionär übernommen zu haben.

Nur ein Präsent erhielt Keil wie alle anderen Kuratoren: den
Füllfederhalter, mit dem er im vorigen Dezember die Gründungsurkunde
signierte.


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