SWR, 29.09.10
Neckarwestheim/Berlin
Ärzte gegen Atomkraft fordern Stilllegung von Neckarwestheim II
Der Verein Ärzte gegen Atomkraft IPPNW hat die Abschaltung von Block 2 des
Neckarwestheimer Kernkraftwerkes gefordert. Die Friedensorganisation beruft sich auf ein
Gutachten, wonach das Notfallsystem eine Kernschmelze und eine damit verbundene
mögliche radioaktive Katastrophe nicht verhindern könne. Dies gehe aus der bisher
unveröffentlichten Risikostudie der deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit hervor.
Damit sei das jüngste deutsche Kernkraftwerk nicht betriebssicher. Eine Reaktion von EnBW
und Umweltministerium steht noch aus.
IPPNW, 29.09.10
> Auch neueste deutsche Atomkraftwerke sind nicht sicher
Notfallmaßnahmen könnten in Neckarwestheim-2, Isar-2, Emsland versagen - Auch Alt-Anlage Biblis betroffen
AKW Neckarwestheim, wikipedia
„Die Notfallmaßnahmen waren die wichtigsten Nachrüstungsmaßnahmen, die aufgrund der
erschreckenden Ergebnisse der Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke für dringend
erforderlich gehalten wurden. Notfallmaßnahmen sind in Atomkraftwerken der letzte
Rettungsanker, um die gefürchtete Kernschmelze noch zu verhindern. Und wenn das nicht
gelingt, sollen sie zumindest das besonders katastrophale Hochdruck-Kernschmelzen
verhindern, bei dem der tonnenschwere Reaktordruckbehälter wie eine Rakete nach oben
schießt und das Containment durchschlägt“, so Henrik Paulitz, Atom-Experte der
atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW. „Jetzt zeigt sich, dass diese Notfallmaßnahme in
den neuesten deutschen Atomkraftwerken nicht einwandfrei funktioniert. Das wirft ein völlig
neues Licht auf die durchgeführten Nachrüstungen der vergangenen 20 Jahre, auf die die
Atomindustrie gerne verweist.“
Nach den Berechnungen der GRS funktioniert die Notfallmaßnahme „Primärseitige
Druckentlastung und Bespeisung (PDE)“ unter anderem bei „kleinen Lecks“ etwa in einer
Schweißnaht des Primär-Kühlkreises nicht. In der Risikostudie heißt es dazu: „Beim
Kühlmittelverluststörfall ist dann die Zeitspanne zwischen dem Anstehen der Kriterien und
dem Zeitpunkt, bis zu dem PDE zur Verhinderung des Kernschadenszustands wirksam sein
muss, so kurz, dass dieses Ziel kaum erreichbar ist (…). Die GRS schätzt in diesem Fall die
Erfolgswahrscheinlichkeit von PDE bei den Kühlmittelverluststörfällen als sehr gering ein.“ An
anderer Stelle heißt es: „Notfallmaßnahmen (PDE) sind systemtechnisch nicht durchführbar
oder ihre Erfolgswahrscheinlichkeit wird als gering eingeschätzt.“ Referenzanlage der
Sicherheitsstudie war mit Neckarwestheim-2 ausgerechnet das neueste deutsche
Atomkraftwerk, der Stolz der deutschen Atomindustrie.
Ein gemeinsames Gutachten der GRS, des Physikerbüros Bremen und des Öko-Instituts
vom Mai 2007 bestätigt das Problem für das Konvoi-Atomkraftwerk Emsland. Die Gutachter
heben hervor, dass in Emsland „zusätzliche Handmaßnahmen“ für die Vorbereitung der
Notfallmaßnahmen erforderlich sind, was 20 Minuten Zeit erfordert. Es bleiben keinerlei
Sicherheitsreserven. Die Notfallmaßnahme PDE kann nämlich nicht einfach von der Warte
gestartet werden wie in älteren Anlagen. Vielmehr muss zunächst ein Elektriker verfügbar
sein und in das benachbarte „Notspeisegebäude“ eilen. Bei bestimmten Unfällen muss sogar
noch ein zweiter Elektriker in einer solchen Stresssituation Zeit haben, um im
„Schaltanlagengebäude“ tätig zu werden.
Generell besteht auch in den Konvoianlagen das Problem, dass wegen der relativ „kleinen“
Ventile nur eine deutlich langsamere und weniger tiefe Druckentlastung bei der
Notfallmaßnahme PDE möglich ist als in älteren Atomkraftwerken. Bei bestimmten
Unfallabläufen kann daher laut Gutachten vom Mai 2007 eine Kernschmelze
(„Hüllrohrtemperaturen >1200 °C“) nicht verhindert werden.
„Probleme der besonderen Art gibt es im Uralt-Atomkraftwerk Biblis“, so Paulitz. „Dort hat
man zwar die Notfallmaßnahme PDE nachgerüstet, aber nicht für den tatsächlichen Einsatz
freigegeben. Die Nachrüstungs-Genehmigung sieht vor, dass im Leistungsbetrieb
notwendige Komponenten für die Durchführung der Notfallmaßnahme zu entfernen sind.
Aufgrund der Auflage der Genehmigungsbehörde kann die Maßnahme also nicht
durchgeführt werden. Auch so kann man eine Nachrüstungsmaßnahme ad absurdum
führen“, so Paulitz.
Kontakt: Henrik Paulitz, Tel. 0032-485-866 129, Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte
für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW), Körtestr. 10,
10967 Berlin, www.ippnw.de, Email: ippnw[at]ippnw.de
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Aktionsbuendnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
Info-tel 07141 / 903363
http://neckarwestheim.antiatom.net