Heilbronner Stimme, 17.11.06

> Der schwebende Castor

Von Joachim Kinzinger

GKN-Mannschaft probt für die Einlagerung ins Zwischenlager

Vom Interimsplatz werden die Atommüllbehälter ins Lager befördert.

Der blaue Castor hängt an zwei gelben Kranlaschen, schwebt rund 15
Zentimeter über dem Boden. "Wir können absetzen", sagt Michael Grausam
von der GKN-Maschinentechnik zum Kranfahrer. Langsam senkt sich der 109
Tonnen schwere und fast sechs Meter hohe Koloss, steht mitten im
aufgemalten weißen Kreis des zweiten Tunnels auf Position 120.


Der 109 Kilogramm schwere Castorbehälter hängt an den Transportlaschen
des Krans im Atommüll-Zwischenlager des Kernkraftwerks.
Fotos: Dittmar Dirks

In dieser Woche üben die Fachleute im Kernkraftwerk Neckarwestheim (GKN)
die so genannte "Kalthandhabung" mit leeren Atommüllbehältern im neuen
Standort-Zwischenlager. Ab Ende November beginnt die heiße Phase. Dann
stellt die Crew die bereits 18 beladenen Castoren vom Interimsplatz in
die beiden Tunnel. Pro Jahr fallen weitere fünf Castoren vom Typ V/19 an,
gefüllt mit jeweils 19 ausgedienten Brennelementen aus beiden
Atomblöcken.

"Alle erdenklichen Varianten werden geprobt", berichtet Wolfgang Arnold,
Leiter des Zwischenlagers. Jeden Betriebsablauf soll das GKN-Team beim
Spezialtraining unter den Augen von Gutachtern abdecken.


Der Castor hat sein Ziel erreicht und steht mitten im weißen Kreis.
Schritte Für das Castorhandling ist Thomas Taschke bei GKN zuständig. Er
erklärt die Schritte: Den Castor mit einem Schwerlasttransporter in die
Tunnel-Eingangshalle fahren, mit dem Kran ins Wendegestell legen,
aufrichten, in die Behältervorbereitung manövrieren. Von dort werden alle
markierten Abstellpositionen in beiden Stollen angefahren. "Nur noch
stehend", bekräftigt der 40-jährige Arnold.

An diesem Morgen heißt es im Übungshandbuch: Einlagerung in Tunnel zwei
aus der Vorbereitungsstation. Auf den Arbeitsbühnen schauen Mitarbeiter
noch nach eventuellen Beschädigungen und Macken der Außenhaut. Dann
klappen die Stege hoch. Werner Grausam zeigt mit dem Finger nach oben,
dirigiert Ufuk Karabas, der den Kran mit einer Hebekraft von 150 Tonnen
mit dem Hand-Steuergerät bedient.


Stehend wird der Castor auf dem Transportwagen zum Tunnel zwei gefahren.
Ohne zu pendeln hängt der Behälter, der später mit Atommüll gefüllt 126
Tonnen wiegen wird, an den beiden Transportlaschen der Castortragzapfen -
wie vorgeschrieben maximal 25 Zentimeter über dem Betonboden. Nur im gelb-
markierten Bereich sind beim Umladen drei Meter Bodenabstand zulässig.
"Hier drunter ist Dämpferbeton", erklärt Maschinenbauingenieur Arnold.
Das Material soll bei einem Rangierunfall den Castor-Aufprall abdämpfen.

Transportwagen Auf Schienen steht der gelbe Transportwagen bereit, der in
der Eingangshalle beide Tunnel verbindet. Zeichensprache ersetzt beim
Rangieren Worte: etwas nach links, nach rechts, vorsichtig die Tragzapfen
in die u-förmigen Fixierungen auf dem Wagen gleiten lassen. Alles okay.
Der Castor setzt auf. Karabas klinkt mit der Fernbedienung die
Kranverriegelung aus.

Im Schneckentempo von fünf Metern pro Minute rollt der elektrogetriebene
Wagen mit der Leerfracht zur zweiten Röhre. Dort positioniert Karabas die
Kran-Traverse, beide Laschen fahren zusammen, umschließen die Tragzapfen.
"Noch ein Stück", ruft Grausam dem Kranpilot zu.


Fachleute messen beim Transport auch den Bodenabstand des Behälters.
Wohin soll der Behälter? Gutachter Lutz Ecke von der Firma Pöyry, der
alle Schritte im Ablaufplan kontrolliert und überwacht, sucht sich
spontan den weißen Kreis mit der Nummer 120 aus. "Es läuft super", ist
Ecke mit der "Kalthandhabung" zufrieden. Mit der automatischen
Kransteuerung, ähnlich wie beim Navigationssystem im Auto, fährt der Kran
mit elf Metern pro Minute vorwärts in den Tunnel. "Katze links", zeigt
später das Display bis zum weißen Kreis an. Absetzen auf Punkt 120 wie
gewünscht.

Überwachung Dann schließt Grausam noch das rote Kabel ans Castor-
Überwachungssystem an der Tunnelwand an. Im Kontrollraum blinkt der
"Fehler" auf dem Wandmonitor auf. Das Drucksystem zwischen den beiden
Deckeln funktioniert nicht. Das kann auch nicht sein. Schließlich ist der
Castor noch nicht mit hochradioaktivem Abfall gefüllt. "Es ist gut
abgelaufen, aber es gibt immer noch Optimierungsbedarf", zieht Lagerchef
Arnold als Fazit.

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