Stuttgarter Zeitung, 01.12.06

> Glitzernde Solaranlage gefährdet angeblich den Tourismus

Nach der Verspargelung bekämpfen die Behörden die Verspiegelung der
Landschaft - Präzedenzfall in Südbaden beschäftigt Politik

Eigentlich will das Land erneuerbare Energien fördern. Doch eine
Fotovoltaikanlage in Südbaden wäre fast abgerissen worden - auf Geheiß
des Landratsamts und mit dem Segen der Regierung.

Von Andreas Müller

Das Wort hatte es Erwin Teufel angetan. Leidenschaftlich kämpfte der
frühere Ministerpräsident bis zum Ende seiner Amtszeit gegen die
"Verspargelung" der Landschaft. Gemeint war der Bau von hoch aufragenden
Windrädern, die Schwarzwaldhöhen und Albtrauf aus seiner Sicht nur
verschandeln würden - und damit Touristen vergraulten.

Nun, unter Teufels Nachfolger Günther Oettinger, droht der Landschaft
angeblich eine neue Gefahr: die Verspiegelung. Diesmal sind es glitzernde
Solarkollektoren, vor denen Urlaubsgebiete wie der Schwarzwald bewahrt
werden müssen. Noch stören die allenfalls vereinzelt, aber die Parole
scheint zu lauten: "Wehret den Anfängen."

Der Präzedenzfall, der dieser Tage den Landtag und die Regierung
beschäftigte, spielt im Südbadischen. In Biederbach (Kreis Emmendingen)
hatten zwei Investoren 2003 eine Fotovoltaikanlage gebaut. Direkt neben
dem Leibgedinghaus eines alten Schwarzwaldhofs setzten sie die
Kollektoren auf die Wiese, 25 mal acht Meter maß das Ganze. Eine
Baugenehmigung war nach damaligem Recht nicht notwendig.

Entsprechend erstaunt waren die Betreiber, als sie im Herbst 2005 Post
vom Landratsamt in Emmendingen bekamen: Binnen sechs Wochen, verlangte
die Baubehörde, hätten sie die Anlage abzureißen. Die sei zwar
"verfahrensfrei", müsse aber trotzdem den geltenden Vorschriften
entsprechen - und das tue sie nicht. Durch die "glänzende Eindeckung und
die damit verbundene Spiegelung" würden vielmehr öffentliche Belange
beeinträchtigt. Genauer: "Das von Schwarzwaldhöfen geprägte
Landschaftsbild in seiner Funktion als touristisch wichtiges Gebiet mit
hohem Erholungswert wird in nicht vertretbarem Maße gestört." Eine
Duldung komme nicht in Betracht, wegen der "Vorbildwirkung auf andere
Bauwillige".

Für den Anwalt der beiden Investoren, Thomas Binder aus Freiburg, war der
Bescheid sachlich und rechtlich "nicht haltbar". Die Spiegelung der
Kollektoren sei geringer als bei Fensterglas, die Anlage schon wegen
ihrer geringen Größe nicht relevant. Aber seine Mandanten wollten kein
langes Gerichtsverfahren riskieren. Also einigte man sich in mühsamen
Verhandlungen auf einen Vertrag: Als Ausgleich für Naturschutzzwecke
seien 1500 Euro fällig, dafür dürfe die Anlage bis zum Jahr 2022 stehen
bleiben - so lange nämlich fließt die Vergütung für den eingespeisten
Strom.

Als der Grünen-Abgeordnete Franz Untersteller von dem Fall erfuhr, konnte
er es nicht fassen. "Einfach abenteuerlich" sei es, wie das Landratsamt
hier agiert habe. Da kündige Ministerpräsident Oettinger an, dass er
Baden-Württemberg bei erneuerbaren Energien bundesweit an die Spitze
bringen wolle. Und dann gingen die Behörden derart restriktiv gegen
Solaranlagen vor. Das passe doch nicht zusammen, folgerte Untersteller
und erkundigte sich per Anfrage nach der Position der Regierung.

Die Antwort kam von Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP). Natürlich
sei es "in öffentlichem Interesse, Energie rohstoff- und umweltschonend
zu gewinnen". Aber angesichts der Abhängigkeit der Region vom Tourismus
wiege es schwerer, dass sich die Anlage mit ihrer blauen Färbung und der
Spiegelung des einfallenden Sonnenlichts nicht in die Umgebung einfüge.
Pfisters Fazit: Die Abwägung des Landratsamts sei rechtlich "nicht zu
beanstanden".

Nun wundern sich die Betreiber, wie unterschiedlich die gleichen
Solarkollektoren amtlich beurteilt werden. Auf dem Dach ihres Anwesens
haben sie nämlich ebenfalls welche installiert, die noch weitaus
auffälliger sind als jene am Boden. Doch daran habe sich noch nie jemand
gestört - im Gegenteil. Im Solarführer 2005 der Region Freiburg werde das
Gebäude in Text und Bild als vorbildlich präsentiert. Mitherausgeber der
Broschüre: der Landkreis Emmendingen.

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