DPA, 12.03.10

> Bangen und Fragen vor Aus für GKN I

Von Daniel Völpel, dpa

Zwar ist die Abschaltung von Block I bis mindestens Herbst verschoben. Doch für Mitarbeiter, Zulieferer und Anwohner bleibt die Frage offen, was nach dem Ende des Kraftwerks kommt. Foto: dpa

Neckarwestheim - Ist ein Atomkraftwerk (AKW) nun gefährlich für eine Region? Oder ist der Meiler vielleicht eher ein willkommener Job- und Umsatzbringer für seine Nachbarn? Für die meisten unmittelbaren Anwohner des AKW Neckarwestheim überwiegen die Vorteile. Zwar ist die Stilllegung von Block I bis mindestens Herbst dieses Jahres hinausgezögert worden. Doch für Mitarbeiter, Zulieferer und Anwohner bleibt die Frage offen, was nach dem Aus für das Kraftwerk kommt. Die Menschen fürchten vor allem, dass die Kosten steigen könnten, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Außerdem wollen sie Klarheit darüber, was mit dem Atommüll geschieht.

Nach längerem Hin und Her hatte die EnBW als Betreiberin des Gemeinschaftskraftwerks Neckar (GKN) klargestellt, dass sie Block I unter Minimallast am Netz halten will. Im Herbst soll dann über eine Gesetzesänderung zu den Restlaufzeiten entschieden sein, hofft sie. Mario Dürr (parteilos), Bürgermeister von Neckarwestheim, kritisiert allerdings, es sei derzeit keine klare Linie zu erkennen. Der Ort werde durch die wochenlang unklare Zukunft des Blocks nur verwirrt.

Gnadenfrist

Auch wenn die Mitarbeiter im Meiler nun eine Gnadenfrist erhalten, das Ende des GKN kommt gewiss. Laut Dürr werden mit dem Aus von Block I etwa 250 Beschäftigte den Standort verlassen. EnBW-Chef Villis hatte erklärt, es werde keine Entlassungen geben. Insgesamt arbeiten direkt im GKN nach EnBW-Angaben rund 800 Menschen. Dazu kommen die Aufträge des Kraftwerks und seiner Mitarbeiter in der Region. Auf 100 Millionen Euro jährlich beziffert Dürr die Kaufkraft, die das GKN ins mittlere Neckartal bringt. Arbeitsplätze direkt in der Gemeinde sind betroffen: Metzger, Bäcker, Handwerker, sagt auch seine Amtskollegin Monika Chef (FDP), Bürgermeisterin der Nachbargemeinde Gemmrigheim (Kreis Ludwigsburg). Auf deren Gemarkung liegt das Kraftwerk zu etwa einem Drittel.

Einer der zahlreichen kleinen Dienstleister, die mit dem Kraftwerk Umsatz machen, ist Gerald Uebel. Der Wirt betreibt im Neckarwestheimer Ortskern das Gasthaus „Zur Krone“. „Wenn Revision ist, bin ich für drei Monate zu 90 Prozent ausgebucht“, erzählt Uebel. Er rechnet damit, dass seine Übernachtungsgäste nach der Abschaltung größtenteils ausbleiben werden. Bereits jetzt überlegt Uebel, wie er die Verluste ausgleichen kann. Und: „Man hofft schon, dass das Ding noch ein bisschen weiter läuft.“ Viele seiner Nachbarn befürchteten ohne das GKN nicht nur steigende Stromgebühren, sondern auch sonst höhere Ausgaben, wenn die Gemeinde weniger Steuern einnehme. „Mit Sicherheit wird das den Ort verändern“, meint er.

Größter Gewerbesteuerzahler

Rund 80 Prozent seiner Gewerbesteuer von durchschnittlich fünf Millionen Euro im Jahr erhält Neckarwestheim laut Bürgermeister von der EnBW. Erst in Jahrzehnten rechnet Dürr mit negativen Auswirkungen. Allein 10 bis 15 Jahre wird nach seiner Schätzung der Rückbau von Block I dauern. Zudem werde Block II als jüngster in Deutschland noch mehr als zehn Jahre lang Strom erzeugen, nach heutiger Messung wäre das bis 2022. Trotz möglicher Laufzeitverlängerung denkt Monika Chef bereits an die Zeit nach dem GKN: „Es ist sicherlich ein gutes Gelände und lässt einige Möglichkeiten offen“, sagt sie.

Optimistisch zeigt sich für die Weinbaugegend des Neckartals der Vorstandsvorsitzende der Weingärtner Neckarwestheim, Michael Ziegler: „Heilbronn ist ein starker Standort“, sagt er. Für Mitarbeiter des Kraftwerks, die hier sesshaft wurden, ergäben sich deshalb andere Chancen. Für die Wengerter selbst erwartet Ziegler keine Umsatzeinbußen. Für den 42-Jährigen gehört der Meiler zum Bild am Neckarufer, seit er denken kann. „Für uns ist es schon Alltag.“

Nächste Protestaktion in Planung

Nie zum Alltag geworden ist der Reaktor für die Atomkraft-Gegner rund um Neckarwestheim. „Es ist die Angst von vielen hier in der Region, dass es einen Großstörfall geben kann“, sagt Wolfram Scheffbuch. Er vertritt als Sprecher des Bundes der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar 14 Gruppen gegen Atomkraft. Die Planungen für die nächste Protestaktion am 21. März liefen daher auch weiter, als kurzzeitig eine Abschaltung im Frühjahr möglich schien, erklärt Scheffbuch. Er hofft auf eine vierstellige Teilnehmerzahl. Das Aus für Block I würde aus seiner Sicht wenig bringen. Zwar sei Block II sicherer, sagt Scheffbuch. „Aber die Probleme der Umweltvergiftung und des Atommülls bleiben.“

Die Frage des strahlenden Mülls treibt die Gemeinden besonders um. „Wir würden uns vor allem wünschen, dass das Thema Endlager diskutiert wird“, sagt Bürgermeister Dürr. Das beschäftige die Bürger mehr als eine Laufzeitverlängerung. „Wir wollten das Zwischenlager hier nie und wollen auch kein größeres.“ Ende 2006 war das umstrittene Lager für 151 Castor-Behälter in einem Stollen am GKN in Betrieb gegangen. Dort soll der Atommüll bleiben, bis ein Endlager gefunden ist.

Monika Chef holt dieses Thema derzeit sogar in ihrem Wahlkampf ein. Sie stellt sich am Sonntag (14. März) im zweiten Wahlgang zur Wiederwahl - und ihre politischen Herausforderer wollen Widerstand leisten, wenn sie gegen die Amtsinhaberin Erfolg haben.


Hintergrund: GKN-I-Elemente genehmigt

Das Standortzwischenlager für Castor-Behälter für abgebrannte Brennelemente im Atomkraftwerk Neckarwestheim. Foto: Archiv/dpa
Neckarwestheim - Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat der EnBW Kernkraft GmbH die Erlaubnis erteilt, dass sie im Atommüllzwischenlager im Kernkraftwerk Neckarwestheim auch Brennelemente aus GKN I mit einer Anfangsanreicherung von maximal 4,05 Prozent Uran 235 aufbewahren darf.

EnBW-Pressesprecher Ulrich Schröder spricht von einem formalen Prozess bei der Genehmigung, die Elemente mit der höheren Anreicherung ins Zwischenlager stellen zu dürfen. Diese Brennelemente würden in den gleichen Castor-Typ eingelagert wie die bisherigen Elemente.

Die Unterlagen des Strahlenschutzamts sind im Gemmrigheimer Rathaus bis zum 26. März einsehbar. kin



12.03.2010

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Aktionsbuendnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
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