(Ein Radio-Interview mit M. Wilk (vom 4. März) findet sich unter
http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=32600 )


Junge Welt, 27.03.10

»Wir lassen uns keine Beruhigungspillen verpassen«

AKW-Gegner erwarten, daß die Diskussion um längere Laufzeiten den Protest anheizt.
Mobilisierung für den 24. April. Gespräch mit Michael Wilk

Interview: Gitta Düperthal

Michael Wilk ist Arzt, Mitglied des Arbeitskreis Umwelt in Wiesbaden und Mitorganisator der
für den 24. April geplanten Proteste am Atomkraftwerk Biblis

Die Antiatombewegung mobilisiert für eine Menschenkette am 24. April, die vom
Pannenreaktor Krümmel über Hamburg bis zum Atomkraftwerk Brunsbüttel reichen soll. Im
Süden steigt parallel eine zweite Aktion - u. a. am AKW Biblis. Wie ist der Stand der
Vorbereitungen?

Die Mobilisierung läuft gut an, wir haben einen Trägerkreis, der sich aus Antiatominitiativen
und Umweltverbänden zusammensetzt. Die Unterstützung reicht von den Gewerkschaften
bis in die Parteien hinein.

Hilft die Bundesregierung unbeabsichtigt dabei, den Protest anzustacheln, indem sie
Laufzeiten bis zu 60 Jahren für AKWs prüfen will? Immerhin sind laut einer ARD-Umfrage 62
Prozent aller Deutschen für den Atomausstieg.

Wir müssen jetzt die Suppe auslöffeln, die uns die SPD-Grünen-Regierung eingebrockt hat.
Damals hatte sie mit den Betreibern längere Laufzeiten ausgekungelt, statt die Reaktoren
einfach abzuschalten. Dadurch haben die Energiekonzerne Zeit gewonnen und können jetzt
mit der neuen Bundesregierung gemeinsam daran basteln, die Laufzeiten noch weiter
auszudehnen.

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß die Regierung das eine oder andere schrottreife
Kraftwerk tatsächlich abschaltet - beispielsweise Biblis, das im Fall eines Flugzeugabsturzes
auf den Reaktor keine Sicherheit bietet! Das würde jedoch nur geschehen, um Laufzeiten für
andere AKW verlängern zu können. Solche Beruhigungspillen lassen wir uns nicht
verpassen. Mit dem neuerlichen Ansinnen, 60 Jahre lang an AKW festhalten zu wollen, wird
man aber selbst bei den Leuten Anstoß erregen, die keine Kernkraftgegner sind. .

Wie ist dieser Vorstoß der CDU-FDP-Koalition zu erklären?

Es geht um ökonomische Interessen. Jedes laufende Alt-AKW spült mit jedem Tag, den es
läuft, circa 1,5 Millionen Euro in die Kassen der Betreiber. Die Atomindustrie und deren
Lobby üben deshalb Druck auf die Regierung aus. Das alles rechnet sich allerdings nur,
wenn man nicht die endlos langen Zeiten einkalkuliert, die es kostet, den Atommüll zu
bewachen. Auf der anderen Seite steht der Druck der Bevölkerung, die mehrheitlich für das
Abschalten ist. Mal sehen, wie das Ringen ausgeht. SPD und Grüne waren für die
Laufzeitverlängerung verantwortlich - und schließen sich jetzt wieder den Kritikern an.

Wie sieht das die Anti-AKW-Bewegung?

Der Aufruf für die Proteste im Norden ist weiter und schwammiger gefaßt, um Leuten
entgegenzukommen, die damals den faulen Kompromiß mit ausgehandelt haben. Darin
heißt es z. B.: »Manche von uns fordern den sofortigen Ausstieg, andere den Ausstieg.« Im
Süden verlangen wir hingegen die sofortige Abschaltung. Radioaktiver Müll muß etwa 25000
Jahre lang bewacht werden - das sprengt in seiner Verantwortungslosigkeit jede Dimension.

Wie erklären Sie sich, daß die Bewegung gegen die Atomkraft seit einiger Zeit wieder einen
Aufschwung erlebt?

Wir haben in Gorleben jedes Jahr harte Auseinandersetzungen um die Castor-Transporte.
Sicherlich hatten - vor allem unter Rot-Grün - viele geglaubt, die Regierung werde es schon
irgendwie richten. Sie mußten aber zu der Erkenntnis kommen, daß es ohne Proteste auf der
Straße keine Veränderungen geben wird.

Die Gefahren sind nicht nur wegen der Erinnerung an Tschernobyl gegenwärtig. Bekannt ist,
daß AKW nicht nur im Unglücksfall Radioaktivität freisetzen, sondern permanent. Das
Bundesamt für Strahlenschutz hat publiziert, daß in der näheren Umgebung von AKW
Leukämie bei Kleinkindern ansteigt - die Entsorgung des Atommülls ist aber ungeklärt. Beim
Uranabbau gibt es ebenfalls eine enorme Strahlenbelastung für die Beschäftigten.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt, es mache ihm angst, wenn älteste Schrottmeiler wie Biblis,
Krümmel oder Brunsbüttel weiterlaufen - was ist von seinen Äußerungen zu halten?

Sie sind davon geprägt, daß seine Partei zur Zeit in der Opposition ist. Gabriel weiß genau,
daß Biblis knapp am größten anzunehmenden Unfall (GAU) vorbeigeschrammt ist.


www.anti-atom-umzingelung.de

www.anti-atom-kette.de


http://www.jungewelt.de/2010/03-27/030.php

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