Ludwigsburger Kreiszeitung, 18.09.10

> Stets hat EnBW für eine längere Laufzeit von GKN I gestritten. Jetzt könnte sich die
Abschaltung rechnen.
> NECKARWESTHEIM - Naht das Ende von Neckarwestheim I?

"Nichts als Gerüchte!" Mit diesen knappen Worten kommentierte ein Sprecher des
Karlsruher Stromkonzerns EnBW einen Artikel im Handelsblatt, wonach der Atommeiler
Neckarwestheim I nach der Landtagswahl 2011 abgeschaltet werden soll. Allerdings hatte
EnBW-Chef Hans-Peter Villis - wie berichtet - schon vorige Woche nicht ausgeschlossen,
dass der ältere der beiden Neckarwestheimer Reaktorblöcke trotz längerer Restlaufzeiten
schon bald abgeschaltet wird.

Das Handelsblatt hatte deshalb unter Berufung auf "informierte Kreise" berichtet, der EnBW-
Boss halte GKN I nur noch aus Rücksicht auf Ministerpräsident Stefan Mappus am Netz, der
sich vehement für längere Laufzeiten ins Zeug gelegt hatte. Nach der Landtagswahl im
kommenden März werde der 1976 in Betrieb gegangene Reaktor dann abgeschaltet.
Tatsächlich stellte Villis in einem Interview die Wirtschaftlichkeit des älteren
Neckarwestheimer Meilers infrage, obwohl ihm die Bundesregierung eine um acht Jahre
längere Laufzeit - gleich 51 Milliarden Kilowattstunden Strom - zugesteht, was den
Reaktorblock eigentlich vor einer raschen Abschaltung bewahren soll. Doch die Belastung
durch die Kernbrennstoffsteuer und den Fonds für erneuerbare Energien sei so hoch, dass
EnBW höchstens 120 Millionen Euro in zusätzliche Sicherheitsauflagen investieren könne, so
Villis.

Das wäre nicht nur deutlich weniger als der Kostendeckel von 500 Millionen Euro für
Nachrüstungen, den die Bundesregierung den Betreibern im vielkritisierten "Geheimvertrag"
ohne die Beteiligung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen zugebilligt hat. Die
Sicherheitskosten, die Villis für betriebswirtschaftlich verkraftbar hält, lägen künftig sogar
deutlich unter den bisherigen. Denn seit Inbetriebnahme von GKN I im Jahr 1976 hat der
Karlsruher Konzern nach eigener Darstellung 780 Millionen Euro in die "technische
Entwicklung" der Anlage investiert - aufs Jahr umgerechnet sind das 22,5 Millionen Euro.
Dagegen käme man bei Sicherheitsausgaben von 120 Millionen in acht Jahren Restlaufzeit
auf nur noch 15 Millionen pro Jahr.

Dies bedeutet nicht nur, dass ein Schutz des Meilers vor Terroranschlägen nicht finanzierbar
wäre. Atomkraftgegner sehen in dem Interview auch den Versuch, den Druck auf Röttgen -
der durch teure Sicherheitsauflagen verlorene Reputation zurückgewinnen könnte -
aufrechtzuerhalten. Generell bezweifeln sie, dass der Wahrheit entspricht, was der EnBW-
Chef öffentlich vorrechnete. Und dabei können sie sich nicht nur auf das renommierte, aber
atomkritische Öko-Institut berufen, sondern auch auf die Landesbank Baden-Württemberg
(LBBW).

Hauptstreitpunkt sind dabei neben der Entwicklung der Strompreise die
Stromerzeugungskosten. Das Öko-Institut veranschlagt sie - gestützt auf ein von der
Energiewirtschaft in Auftrag gegebenes Gutachten - auf 17 Euro je Megawattstunde, die
LBBW auf 22 Euro. Deutlich zu wenig, widerspricht der Karlsruher Konzern und wirft die Zahl
von 47 Euro in die Debatte, in der die Brennelementesteuer allerdings enthalten ist. Die liegt
im Fall von GKN I bei etwa 15 Euro je Megawattstunde. Zieht man sie ab, landet man bei gut
30 Euro pro Megawattstunde - ein ähnlicher Wert wie der, den Eon-Chef Teyssen in der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in den Raum gestellt hat.

Ist also das Öko-Institut schlicht Partei und die LBBW naiv? Oder hat sich die Branche auf
eine offizielle Größe geeinigt, ohne sie beim Namen zu nennen? Auffallend ist immerhin,
dass die EnBW gern von Stromverkaufspreisen von "rund 50 Euro" pro Megawattstunde
spricht, im Vertrag mit der Regierung aber fast 54 Euro stehen. Spannen, die
Gewinnprognosen durchaus verändern. Wobei generell gilt: Die Konzerne werden bei ihren
jüngeren Reaktoren erst einmal ohne Zusatzgewinne belastet - für GKN I aber fiele erst gar
keine Brennstoffsteuer an, wenn der Meiler, dessen Abschaltung eigentlich überfällig ist und
von der EnBW bisher künstlich verzögert würde, nun für immer vom Netz ginge. Mindestens
eine halbe Milliarde Euro hätte der Konzern so gespart. Die acht Jahre Zusatz-Laufzeit
indessen könnte die EnBW dem jüngeren GKN II gutschreiben - wohl brennstoffsteuerfrei.
Denn die Steuer ist nur bis 2016 fällig, GKN II bleibt aber ohnehin bis 2022 in Betrieb.
Mit dann insgesamt 22 Jahren Zusatzlaufzeit würde in Neckarwestheim bis 2044 Atomstrom
produziert. Und auch im örtlichen Atommüll-Zwischenlager wäre Platz gewonnen. Denn bei
voller Ausschöpfung der acht zusätzlichen Jahre für GKN I wäre es 2022 annähernd voll -
bei einer Laufzeit-Übertragung aber bliebe ein zeitlicher Puffer für die Lösung der Endlager-
Frage.

Steffen Pross

http://www.lkz.de/home/lokalnachrichten/stadt-kreis_artikel,-N-_arid,32827.html


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