Stuttgarter Nachrichten, 06.02.11

> Neckarwestheim
> Atomstrom ist Bahn lieb und teuer

Sascha Schmierer, aktualisiert am 06.02.2011 um 14:58 Uhr
Atomkraftwerk Neckarwestheim

Neckarwestheim - Mit Atomstrom aus Neckarwestheim ist die Bahn jahrzehntelang gut
gefahren: Fast jede vierte im deutschen Gleisnetz verbrauchte Kilowattstunde kommt aus
dem Kernkraftwerk am Rand der Region Stuttgart. Nun entsteht direkt neben dem
Atommeiler ein neues Umrichterwerk - auf Kosten der Steuerzahler.

Ist die Nukleartechnik nur noch ein Auslaufmodell? Oder wird Deutschland bei der
Energieversorgung auch in Zukunft auf den Strom aus der Kernspaltung angewiesen sein?
Während bundesweit nach wie vor über die Restlaufzeiten für Atommeiler und ungelöste
Probleme bei der Lagerung ausgedienter Brennstäbe diskutiert wird, schafft die Bahn in
Neckarwestheim schon millionenschwere Fakten.

Direkt neben dem bestehenden Kernkraftwerk haben die Bauarbeiten für ein neues
Umrichterwerk begonnen. Auf einer fast drei Hektar großen Fläche im Gemmrigheimer Feld
entsteht eine Anlage, die den im Atommeiler produzierten Drehstrom in den für den
Bahnbetrieb benötigten Wechselstrom umwandeln soll. Wegen des großen technischen
Aufwands wird erst im Oktober 2012 mit der Fertigstellung gerechnet. Vor der endgültigen
Inbetriebnahme ist ein monatelanger Probebetrieb vorgesehen.

DB Energie will moderne Anlage bauen

Auftraggeber der neuen Anlage ist die Bahntochter DB Energy mit Sitz in Frankfurt. Das
1600 Mitarbeiter zählende Unternehmen betreibt nicht nur bundesweit etwa 200 Tankstellen,
mit denen die gut 10.000 Diesellokomotiven im Bahnbetrieb gefüllt werden können. Der als
bundesweit sechstgrößter Energieversorger geltende Tochterbetrieb muss auch dafür
sorgen, dass auf den Bahnhöfen nicht das Licht ausgeht. Ein 7800 Kilometer langes
Hochspannungsnetz mit 25.000 Masten ist für den bundesweiten Transport des Bahnstroms
verantwortlich. Damit der ICE nicht auf halber Strecke stehenbleibt, muss die Energie aber
auf die von der Bahn benötigte Frequenz gebracht werden. Im Gegensatz zum in der
Industrie verwendeten Drei-Phasen-Drehstrom mit üblicherweise 50 Hertz wird für den
Zugbetrieb nicht zuletzt wegen der Sicherheitsabstände der Oberleitung eine niedrige 15-kV-
Spannung mit 16,7 Hertz gebraucht.

Der in Neckarwestheim erzeugte Strom wird bisher direkt im Kernkraftwerk umgewandelt. Im
Maschinenhaus von Block I arbeitet ein 1989 in Betrieb genommener Bahnstromgenerator,
auch Block II hat einen sogenannten rotierenden Umformer. Jetzt allerdings will die DB
Energie die zwei Generatoren mit einer Leistung von jeweils 75 Megawatt durch eine
moderne Anlage ersetzen. Weil auf dem Kraftwerksareal der Platz fehlt, entsteht das
geplante Werk außerhalb. "Der Wirkungsgrad liegt um gut fünf Prozent höher als bei den
herkömmlichen Anlagen", begründet die Bahntochter die Modernisierung.

Bei den in der Region Stuttgart und im Heilbronner Unterland benötigten Strommengen wirke
sich die Umrüstung trotz der hohen Investitionskosten positiv aus. Exakte Zahlen konnte der
Firmensprecher der DB Energie nicht liefern. Der in Neckarwestheim umgewandelte
Bahnstrom wird über ein örtliches Schaltwerk etwa zum Unterwerk in Stuttgart-Zazenhausen
geleitet. Der Drehstrom aus dem Atommeiler fließt übers Umspannwerk Großgartach bei
Heilbronn ins Netz. Umrichterwerke unterhält die DB Energie auch in Karlsruhe, Neu-Ulm
und Aschaffenburg, die Schnittstellen von Stromnetz und bahninterner Energieversorgung
werden Zug um Zug erneuert.

Greenpeace übt Kritik

Massive Kritik am Standort Neckarwestheim übt die Umweltorganisation Greenpeace. "Mit
dem neuen Umrichterwerk wird die Abhängigkeit der Bahn vom Atomstrom geradezu
zementiert", beklagt der Nuklearexperte Tobias Riedl. Weil die zwei Neckarwestheimer
Meiler fast 25 Prozent des bei der Bahn verbrauchten Stroms erzeugen, fordert Greenpeace
ein Ende der Lieferungen. "Die Bahn inszeniert sich gern als umweltfreundliches
Unternehmen, doch in Wahrheit ist sie eine Atombahn", sagt der aus Nürtingen stammende
Aktivist.

Für die DB Energie hingegen bietet die neue Anlage für den Bahnstrom eher mehr als
weniger Unabhängigkeit. "Ein positiver Nebeneffekt ist, dass das Umrichterwerk im
Gegensatz zu den bisherigen Generatoren auch das öffentliche Stromnetz anzapfen kann",
erklärt der Unternehmenssprecher. Die Kosten für die Modernisierung der Stromtechnik trägt
zum größten Teil der Steuerzahler: Gerechnet wird bei der zweijährigen Großbaustelle mit
Investitionen von 46,5 Millionen Euro. Der Löwenanteil kommt aus dem Topf fürs
Konjunkturprogramm, gerade mal 9,4 Millionen Euro zahlt die Bahn aus der eigenen Kasse.

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Die Atomkonzerne müssen künftig eine neue Brennelementesteuer von jährlich 2,3
Milliarden Euro zahlen. Damit soll ein Teil der Zusatzgewinne der Konzerne bei längeren
Atomlaufzeiten abgeschöpft werden. Foto: dpa

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teuer.f27507a8-833b-434f-a42f-278b006791a2.html


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